Notverordnungen Strom: Unwirksam und Inkompetent


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    «Kannst Du es mir erklären: Die erste Massnahme im Fall einer Strommangellage ist die Beschränkung der Waschtemperatur auf 40 Grad? Meint der Bund wirklich, die Strommangellage hat vor allem mit dem Wäschewaschen zu tun?»

    Das fragte mich ein Kollege, der erst noch Techniker ist. Er las die vom Bundesrat vorgeschlagenen Entwürfe für die Notverordnungen Strom. Sie enthalten die Massnahmen, die eingeleitet werden, wenn eine Strommangellage ausgerufen werden sollte. Einige «Leckerbissen» dieser Verordnung sind:

    • «Waschmaschinen in privaten Haushalten dürfen mit einer Wassertemperatur von maximal 40°C betrieben werden.»
    • «Die Ladenöffnungszeiten müssen um […(1-2)] Stunden pro Tag reduziert werden.»
    • Verbot vom «Betrieb von Video-, DVD- und Blue-Ray-Geräten, Spielkonsolen und Gaming-Computern.»
    • Verbot von «Streaming-Diensten zu Unterhaltungszwecken.»
    • Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf «100 km/h auf Autobahnen.»

    Man muss keine fünf Sekunden nachdenken, um den offensichtlichen Unsinn dieser Massnahmen zu erkennen. Wie will man die Temperatur der Waschmaschinen kontrollieren? Muss in jedem Wäschekeller ein Polizist piket stehen? Und dann soll man nicht streamen, aber fernsehen geht?

    Ist den Autoren der Vorlage entgangen, dass mittlerweile in den meisten Haushalten das gleiche Gerät TV und Streaming macht? Ihnen muss auch entgangen sein, dass man auch an einem normalen Computer gamen kann.

    Starker Tobak ist die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn. Es geht um eine Strom-Notverordnung. Nicht einmal 3 Prozent der Schweizer Flotte fährt elektrisch. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn hat also nichts mit der Bewirtschaftung von Strom zu tun.

    Der Techniker-Kollege stellt resigniert fest: «Diese Verordnungen sind reiner politischer Aktivismus und haben mit dem technischen Problem nur wenig gemeinsam.» Besser auf dem Punkt bringen, kann man es kaum. Leider ist aber selbst diese Interpretation wohlwollend.

    In Wirklichkeit herrscht Punkte Strommangellage absolute Inkompetenz in Bern. Das federführende Departement, das Wirtschaftsdepartement von Bundesrat Guy Parmelin, ist überfordert. Die Realitätsferne dieser Verordnungsentwürfe sind eindrückliche zeugen dieses Versagens. Nicht nur hat man keinen Mut, der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen. Man hat auch keine Kraft, sich gegen die «Stromwirtschaft» durchzusetzen.

    Denn dieser Verordnungsentwürfen mit diesen abstrusen Vorschlägen kommen von der Stromwirtschaft. Zwar hat sie der Bundesrat zur Vernehmlassung freigegeben. Doch wer sie zu Papier gebracht hat, war das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung. Konkret war es dort die Notfallorganisation für die Strombewirtschaftung Ostral. Und diese wird allein von der «Stromwirtschaft» alimentiert.

    Entsprechend einseitig sehen die Verordnungen aus. Die Stromproduzenten und Netzbetreiber bekommen alles, nämlich die Freiheit, das zu tun, was sie wollen. Die Bevölkerung und die Wirtschaft müssen die Kosten bezahlen und sich einschränken.

    Das ist das übliche Spiel in Bundesbern. Die Verantwortungsträger sind überfordert, um nicht zu sagen, inkompetent. Die anderen erkennen die Schwäche und nützen sie gnadenlos aus. Die Überforderten delegieren die Entscheide an die Nutzniesser. Dann stülpt man dem Ganzen ein demokratisches Mäntelchen über und schon sind alle aus dem Schneider. Die Überforderten können sagen, sie setzen den politischen Willen um. Die Nutzniesser können sagen, sie handeln gemäss dem politischen Willen.

    «Was ist aber, wenn es wirklich zu einer Strommangellage kommt?» fragt mein verdutzter Kollege. Die ehrliche Antwort ist: Dann kommt sie und Strom wird abgestellt. Jeder Zweijähriger weiss, dass oben erwähnte Massnahmen nicht umsetzbar und deshalb unwirksam sind. Der Bundesrat weiss es und die «Stromwirtschaft» weiss es. Doch das interessiert sie nicht.

    Im Übrigen: In einer Vorversion dieser Verordnungen hätte der Betrieb von Kaffeemaschinen vor 6 Uhr morgens verboten werden sollen…


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    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der Umwelt Zeitung. Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

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